Dederbeck schrieb am 21.01.2011

Stark verbesserungswürdig

Brunch in der "Kantine" in Töging, Chef-Koch Manfred Dietl. Und los geht's. Lokal-Ausstattung: 80er Jahre Ruhrgebietsambiente, harte, schmale Stühle, Rohre an der Decke, Spinnweben. Na ja. Ununterbrochen hohe Geräuschkulisse, unruhiges Treiben. Frauen bekommen zur Begrüßung ein Glas Prosecco, Männer gehen leer aus. Gleichberechtigung? Fehlanzeige! Brunch-Hauptgerichte in großen, geschlossenen Edelstahltöpfen, die aufgereiht dastehen. Keiner der Gäste weiß, was sich unter den Deckeln verbirgt. Das Auge isst hier nicht mit, denn es sieht leider nur die stählernen, geschlossenen Ungetüme. Salate frisch und knackig, große Auswahl, sehr gut, wie ich finde. Es fehlt ein leichter italienischer Weißweinessig zum Selberwürzen. Die einzige Suppe: großer Topf, rein weißer Inhalt. Blumenkohl flüssig. Na ja. Verzichte gerne. Das noch: Fischgericht soll gut sein an diesem Tag. Hab ich gehört. Um herauszufinden, ob ein bayerisches Restaurant empfehlenswert ist, gibt es ein altbewährtes Mittel: Man bestelle einen Krustenschweinebraten. In der "Kantine" klappt das auch, sie bieten einen an. In einem dieser Brummitöpfe befindet sich also der Schweinebraten. Beim genaueren Reinsehen bemerke ich Wammerl und... Surbraten. Wammerl als Schweinebraten ist wohl das billigste vom Billigen, inklusive Knorpel auch noch. Wir sind beim Essenfassen, also weiter. Selber aus dem Topf nehmen geht nicht, der Koch-Meister persönlich teilt aus. Auch ungefragt wird Surbraten auf den Teller geworfen. Dazu leider kleine Fabrik-Semmelknödel, bähh. Die Schweinebraten-Sauce, nicht wie von der besten Ehefrau von allen, sämig, dunkelbierselig, dick, nein. Hier ist sie ölig braun. Schmeckt auch so. Fettig. Ein Graus. Die Schwammerl, die es noch dazu gibt, sind delikat und rahmig. Das kann er, der Koch-Meister. Dann: Surbraten. Seit meiner Kindheit keinen mehr gegessen. Als ich den ersten Bissen im Mund hatte, wußte ich auch wieder, warum ich so gerne drauf verzichtete, die letzten Jahrzehnte. Fazit: den Krustenschweinebraten/Surbraten kann ich nicht empfehlen, nein. Ich weiß nicht, warum der in der Welt herumgekommene Chef-Koch mit einer derartig schlichten Sauce arbeitet, diese verheerend kleinen Fabrik-Knödel anbietet, rotes Surfleisch und Billig-Wammerl. Ein Krustenschweinebraten mit allem drum und dran sieht in Altbayern anders aus als in der "Kantine". Ein Stück Schweineschulter mit allem drum und dran, das ist wohl das allerwichtigste. Dann: angebratene, speckige Kartoffeln, geriebener, schwarzer Rettich, süß-sauer eingelegter Kürbis, Kümmel. Zusammen mit einer sorgfältig kreierten und abgeschmeckten Dunkelbier-Sauce und normal großen, selbstgemachten Semmelknödeln könnte unser Nationalgericht ein Gedicht für jeden Gaumen werden. Das hat sich in der "Kantine" in Töging leider noch nicht herumgesprochen.